Adorno auf Wiesengrund

Der Fußball, der ursprünglich ein Zerstreuungscharakter hatte und eine Reproduktionssphäre der Arbeitskräfte darstellte, wurde/wird selbst kommodifiziert oder „verdinglicht“ / zur Ware und immer weiter kapitalistisch verdichtet bzw ist jetzt einer der wichtigsten weltweiten Institutionen der Kulturindustrie. Dass selbst der Feierabend/Zerstreuung oder die Reproduktionssphäre kapitalistisch verwertet wird, beschreiben Adorno und Horkheimer in der Negativen Dialektik so, dass „Amusement die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus sei“. Diesen inhärenten imperialistischen Charakter des Kapitalismus merkt man ziemlich deutlich, dass sogar U18 oder U17 WM immer dichter kommerziell verwertet werden oder, dass es kaum mehr einen Tag ohne Fußball gibt. Alles wird zur Ware und alles wird gleich: Fast alle spielen mit Vierer-Kette, sogar die Mannschaften der untersten Klassen agieren so, wie die „oberen Klassen“, die in einer oligopolistischen Konkurrenz um die Marktwerte, Sponsoring und Meisterschaften kämpfen, obwohl der Fußball stets noch eine wichtige Zerstreuungsfunktion und „sozialen Kit“ (Verblendungszusammenhang) unserer Gesellschaft darstellt und geblieben ist. Bei aller Kälte der Kulturindustrie, der Fußball bewahrt immer noch einen „mitspielenden“ oder „authentischen“ kulturellen Charakter und schafft immer wieder Verständigung in einer kalten Welt, sogar kurz zwischen den Schützengräben der Engländer und Deutschen im Ersten Weltkrieg. Man ist nicht nur rein Konsument, sondern ist immer wieder mal selbst Akteur; sei es in einer Hobby-Mannschaft oder wenn man mit seinen Kindern spielt. 
 
Daraufhin habe ich versucht,  den Theodor Adorno, wörtlich, in einen Verblendungszusammenhang mit der aktuellen vorherrschenden weltweiten Kulturindustrie zu bringen und, dass er selbst auf Wiesengrund steht, finde ich persönlich ganz amüsant.
 
Die Rolle, die ich Theodor W. Adorno gegeben habe, ist der Linienrichter. Gefühlsmäßig passt für mich die Rolle der Philosophen für die Gesellschaft mit einem Linienrichter überein. Der Linienrichter zeigt durch eine Fahne an, was richtig oder falsch sei. Dass man kein richtiges Tor im Abseits schießen kann, auch wenn es noch so schön sei und dass jede Abseitsentscheidung sowohl relativ als auch falsch sein könnte und von der Perspektive und der Konstellation abhängt oder gar von der Hauptschiedsrichterin ignoriert werden kann, macht diesen Verblendungszusammenhang für mich sehr spannend und hat mich veranlasst den Adorno in verschiedenen Medien zu malen, einmal in Öl und einmal in seiner technischen Reproduzierbarkeit. Übrigens bin ich ein großer Fan von Public Viewing und ich bin mir sicher, dass sogar Walter Benjamin von der Aura eines übertragenden Fußballspiels überwältigt worden wäre. Fußball bleibt für mich spannend, denn in diesem finde ich den Widerspruch zwischen Kälte und Spiel / Objekt und Subjekt / Passiv und Aktiv / Prozess der Freiheit und dem Zwang.